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Backes Die Geschichte der Gemeinde

Hahn im Taunus

von seinen Anfängen bis zur Stadtgründung Taunusstein 1971






Jägerheim Eiserne_Hand Aarstraße












Die Zeit 778 bis 1315
Von der Gründung der Abtei Bleidenstadt (wahrscheinlich 778 n. Chr.) bis zum Freibrief der Grafen Nassau zu Gunsten des Lehenshofes in Hahn aus dem Jahre 1315.

Was veranlasste Karl den Großen, den weltlichen Herrscher, dem Ansuchen des kirchlichen Oberhirten über das Taunusgebiet, dem Erzbischof Lullus von Mainz, Folge zu geben und die Errichtung eines Benediktiner-Klosters gerade in Bleidenstadt zu bewilligen und tatkräftig zu fördern? Ohne auf irgendwelche Einzelheiten einzugehen, müssen die folgenden Umstände als entscheidend für die Gründung der Abtei festgehalten werden.
  • Das Gebiet des oberen Aartals weist eine derart zahlreiche Bevölkerung auf, das der kirchliche Oberhirte des Gesamtgebiets nicht nur auf die Bekehrung dieser Heiden drängt (bloße Missionstätigkeit), sondern vielmehr eine dauernde kirchliche Betreuung für notwendig erachtet. Deshalb muss er eine Art Zentralstelle (einen Pfarrbezirk) in Bleidenstadt ins Leben rufen, ein Benediktinerkloster mit einem großen Gotteshaus.
  •  Karl der Große, der gleichzeitig der größte Grundeigentümer in diesem Gebiet ist, zeigt sich natürlich gern bereit, seine staatspolitisch grundlegenden Thesen der "Kultivierung und Kolonisierung" in Verbindung mit der "Christianisierung" in die Tat umzusetzen.
Gegen Ende des 8. Jahrhunderts war in den hiesigen Gebieten das vorhandene Ackerland - nach Zahl und Maß bereits bestimmt - unter seinen Bewohnern fest verteilt. Auch die Wälder und Wüsteneien hatten ihre Besitzer. Aber die ständig wachsende Bevölkerung und die verbesserte Lebenshaltung machten dringend eine Erweiterung der Ackerflächen erforderlich.  Zur Förderung des Gemeinwohls und zur Behebung der Notstände hat Karl der Große einerseits den "Befehl" erteilt, an "schicklichen" Stellen zu roden und das Land zu kultivieren, andererseits ging er durch die Errichtung von Musterhöfen (Meierhöfe, Pfalzen) selbst mit gutem Beispiel voran. Immer aber lag ihm die Christianisierung besonders am Herzen und so förderte er freigiebig alle in gleicher Richtung arbeitenden Institutionen der Kirche, vor allem jene Klöster, die nicht bloß als Träger der Christianisierung auftraten, sondern auch der Erziehung und Volksbildung im weitesten Sinne des Wortes ihre Aufmerksamkeit widmen.

Die Benediktiner aber sind den Regeln ihres Ordens verpflichtet, ihren "Gottesdienst" mit "ernster Arbeit zu umrahmen" (z.B. durch Bauten, Unterricht und Wissenschaft, durch Landwirtschaft, Rodungen, Handwerk usw.). Aus heutiger Sicht muss jedoch festgestellt werden, dass es gerade hieran mangelte. Das Kloster nutzte die verschiedenen Höfe lediglich als "Investition", um großmöglichste Erträge zu erzielen. Der Nutzen für der Bevölkerung war gering, sofern er überhaupt vorhanden war. Diese Vernachlässigung der Christlichen/kirchlichen Pflichten dürfte auch mit ein Grund gewesen sein, dass das Kloster später aufgelöst und zu einem Ritterstift umgewandelt wurde.

Erst 1964 wurde die evangelische Kirchengemeinde Hahn selbständig. Bis zu diesem Zeitpunkt gehörte sie zum Kirchensprengel Bleidenstadt. Die katholische Kirchengemeinde Hahn wurde sogar erst 1966 selbständig. Allgemein dürfte bekannt sein, dass es in Hahn einen "Kloster- oder Stiftshof" gegeben hat.

Weniger bekannt hingegen dürfte sein, welchen Namen Hahn damals hatte. Die zwei ältesten Dokumente, die hierzu Auskunft geben könnten, weil sie "örtliche Verhältnisse" betreffen, sind
  • die "Grenzbeschreibung des Klosterbezirks ("discriptio marce terminationis ad ecclesiam sancti Ferrutii in monasterio Blidenstat")
 sowie
  • das älteste "Güterverzeichnis" (summarium et registum bonorum).
Beide Dokumente enthalten jedoch keine "Ortsangabe Hahn". Allerdings muss dazu vermerkt werden, dass die erste Quelle keinen einzigen Ort nennt der innerhalb der aufgeführten Grenzen liegt (und dazu gehört auch Hahn).und dass die zweite Quellenangabe unvollständig ist und in ihrer Echtheit bestritten wird. Dagegen wird in späteren Chroniken stets angegeben, dass zur Benediktiner-Abtei 17 Dörfer und 4 Höfe gehört haben und unter diesen 17 Dörfern wird immer auch Hahn genannt.

Nachweisbar haben die ersten Äbte in Bleidenstadt mit ihren Benediktiner-Mönchen die ihnen übertragenen Aufgaben sehr ernst genommen und auch viele Erfolge erzielt. So konnte z. B. bereits am 6. Juni 812 die neue Kirche auf dem Petersberg durch Erzbischof Richulf von Mainz eingeweiht werden (es war die erste Steinkirche in der ganzen Umgebung). Die Äbte besaßen damals wie üblich auch "weltliche" Macht. Sie waren Herrscher gegenüber ihren Untertanen und selbst "Großgrundbesitzer". Lediglich ihre richterliche Gewalt war beschränkt und deshalb waren die Äbte gezwungen, eigene "Schirm-Vögte" einzusetzen. Deshalb auch der Ausspruch "Vogtei" Bleidenstadt.

Der Ursprung von Ort und Ortsbezeichnung "Hahn" ist nicht überliefert. Folgende Deutung dürfte der Wahrheit am nächsten sein. Als die Abtei zu Bleidenstadt das Land um den Kreckelberg in ihre Hände nahm, gab es dort sicherlich keine Ortschaft im heutigen Sinne. Richteten jedoch die Mönche von ihrem Sitz auf dem Petersberg in Bleidenstadt ihren Blick rundum, dann sahen sie sowohl in nächster Umgebung wie in naher und weiterer Ferne neben Weiden und Wiesen auch viele Ackerbeete und natürlich auch mancherlei Gebäude und verstreut liegende Höfe (=Bifangs). Einen Blick nach Osten lässt gleichfalls deutlich erkennen, dass auch  um den Kreckelberg und dem Sauerlachfeld größere Stücke des Landes angebaut sind und dass mitten drinnen auch Wohnstätten sichtbar werden. Die dem althochdeutschen Sprachschatz (die Zeit vor 1.000 n. Chr.) entnommenen Flurnamen: "Im Loh", "Am Kreckelberg", "Vor der Hardt", "Ober dem Hohl", stellen ein zusammenhängendes Ackerland links des Wingsbaches dar, während die nachfolgenden, gleichfalls dem Althochdeutschen entnommenen Flurnamen: "Seifen", "Triesch", "Sauerlach", "Gewann", "Faulgewann", "In der Dell" eines größeres Ackerland auf der gegenüberliegenden Seite bezeichnen. Nun steht fest, dass die Benediktiner von diesen Grundstücken Besitz ergriffen haben, gleichgültig, ob dies damals viele Äcker waren oder weniger, ebenso gleichgültig, in welcher Rechtsform dies geschah und ob dies gleich um 800 herum war oder später. Auf jeden Fall musste der "Kloster-Cellarius" ("Keller" genannt, heute etwa der Finanz- und Wirtschaftsdezernent) diesen Besitz in seinen Verzeichnissen und Büchern irgendwie benennen. Dass sich ihm dabei ein Ausdruck "Hahn" geradezu aufdrängte, ist in zweifacher Hinsicht einleuchtend und erklärlich:
  • Der Mönch, der als Fremdling fragt, was dort unter dem Kreckelberg zu sehen ist, erhält die Antwort "das ist der Hag des N. N." Das althochdeutsche "hag" bedeutet Einschließung, aber auch die eingefriedete Hube. Aus "hag"  und "hagan" wurde zur Zeit Karls des Großen "haga", später daraus "haya", dann hayn, haan, haen, hoen, hain und ähnlich geschrieben, zuletzt "Hahn". Da aber dieser Besitz dem Kloster gehörte, entfällt der Personenname.
  • Erfolgte die Besitzergreifung in der Form der damals üblichen "Hof-Bildung" kraft des mittelalterlichen "Hagan-Rechts" (jure indaginis), indem einfach die betreffenden Grundstücke "einge-hag-et" wurden, liegt es nahe, die Bezeichnung "hag" (haga, haya) als Begriff- und Ortsbezeichnung zu belassen, da der neue Besitz ja in ziemlicher Nähe zum Kloster lag.
Als die Abtei zu Bleidenstadt das Land um den Kreckelberg in ihre Hand bekommt, fand sie dort keine Ortschaft im verwaltungsrechtlichen Sinne vor. Es waren nur "verstreute" Besitzungen bzw. (vermutlich 3) Höfe. Dass aber die Benediktiner von Bleidenstadt das Gebiet um den Kreckelberg erst gerodet und kultiviert hätten, dass Hahn eine Gründung "aus wilder Wurzel" sei, das ist auf Grund der neueren Forschungen über die Abtei ganz ausgeschlossen. Dagegen ist es infolge der verhältnismäßig unbedeutenden Entfernung von Bleidenstadt nach Hahn ohne weiteres einleuchtend, dass die Äbte diese Besitzungen und Untertanen in Hahn einfach zu "Bleidenstadt zugehörig" angesehen haben. Auch dann noch, als sich um die "uralt-höff" (wie es in einem alten Bericht heißt) bereits ein kleines Dörflein entwickelt hatte. Diese kirchliche und verwaltungsmäßige Einbeziehung von Menschen und Landbesitz nach Bleidenstadt ist dann der Grund, dass ein "Dorf Hahn", also eine selbständige juristische Person, urkundlich erst in Erscheinung tritt, als die "weltliche" Macht der Abtei bereits im Niedergang begriffen ist (beginnt im 12. Jahrhundert). Denn erst jetzt hatte es für die Ortsvorsteher, deren Zahl langsam zunahm, einen Sinn, "selbständig mitreden" zu dürfen.

Den Tatbestand der wechselseitigen Benennung von Klosterhof und Ort beweist auch der Wortlaut eines alten an das Kaiserliche Kammergericht eingereichten Schriftsatzes, in dem nachgewiesen werden soll, dass der Lehenshof  "zu hayne" seit 1315 "von allen Lasten befreiyet" war. Punkt 1 dieses Schriftsatzes "setzt und sagt als wahr", das "nit weith von wehen ... ein dörflein hain" sowie "ein hoff oder hain genannt" bestanden hat (Wehen hat bereits 1323 die Stadtrechte erhalten).

Nachweisbar waren um das Jahr 1000 im Bleidenstadter Klosterbezirk, die dem Ackerbau dienenden Flächen fast schon so groß wie Mitte des 20. Jahrhunderts, jedoch bei einer ganz anders gearteten Betriebsweise. Daraus muss gefolgert werden, dass die verstreut gelegenen Klosterhöfe wahrscheinlich eine Art Muster- und Lehrbetrieb abgegeben haben und dass sie infolgedessen zu einer Art Kristallisationspunkt für Ansiedlungen geworden sind. Aus den ältesten Urkunden und Berichten ist ersichtlich, dass die Benediktiner den sogenannten "großen Lehenshof" zu Hahn, ihr Eigen nannten, dass aber auch die Ortsbewohner ihnen zehntpflichtig waren. Dies wird aber nur dann verständlich, wenn man die Voraussetzung macht, dass Klosterhof und Ort schon vor dem Jahr 1.000 bestanden haben. Denn dass Hahn urkundlich zum ersten Mal kurz nach 1.300 genannt wird, ist reiner Zufall.

Urkundlich wird nun die Bezeichnung "Hahn" um das Jahr 1.300 zum ersten Mal überliefert, wobei ausdrücklich von einem "dörflin hayn" und einem "hoff hain" die Rede ist. Gleichzeitig ist aus diesen Schriftstücken zu entnehmen, dass
  • die Benediktiner-Abtei zu Bleidenstadt ihren Hof zu Hahn an die Familie "von Geroldstein" zu Lehen gegeben hat.
  • die Dorfleute zu Hahn dem Kloster zehntpflichtig
 und
  • den Grafen von Nassau dienst- und abgabepflichtig sind.
Zum Verständnis dieser Tatbestände scheint es geboten, sich das Leben des Landvolkes im 12. und 13. Jahrhundert zu vergegenwärtigen und einige Rechtsverhältnisse der Abtei klar zu legen. Die alte germanische Volksgemeinschaft mit ihren "freien" Bauern war schon lange untergegangen und an deren Stelle hatte sich dass "Herrschaftswesen" der weltlichen und geistlichen "Grossen" ausgebreitet. Auch im Nassauischen ist der freie Bauer eine Ausnahme: meist ist er "hörig", oft auch leibeigen. Nach Ansicht jener Zeiten braucht der herrschende Mensch nicht zu "arbeiten", vielmehr soll er "leben" und den Rittern galten der Ackerbau und das Handwerk als "schimpflich". Die Folge war, dass es den gewöhnlichen Landbewohnern im Ganzen gesehen recht schlecht erging; nur die Untertanen der geistlichen Grundherren bildeten eine Ausnahme (damals kam das Wort auf: "unterm Krummstab ist gut leben"). Vor allem war das Los der Leibeigenen überaus hart und menschenunwürdig, galt er doch als schlechthin eine Sache, als eine Art lebendes Inventar des Grundherrn, der seine Güter unter Aufsicht eines "Hofmannes" auf solche Art billig bewirtschaftete. Wurde der Landsitz verkauft, vertauscht oder verschenkt, dann gingen diese Leute mit dem gesamten lebenden und toten Inventar ins Eigentum des neuen Herrn über (z. B. wird noch 1525 vom Amtmann in Wehen ein Leibeigener "getauscht"). Eine Art "freie Bauern" sind die "Erbzinsleute", die mit ihren Familien die Huben bebauen und lediglich zu fest vorgeschriebenen "Zins"-Leistungen, den sogenannten "gemessenen" Diensten bzw. Abgaben, verpflichtet sind. Die eigentlichen "Grundherren" und Großgrundbesitzer gaben meistens ihre Höfe "zu Lehen". Allerdings gab es mehrere Arten von Lehen. Die Lehensleute können etwa mit den Pächtern verglichen werden, die aber neben ihren Pachtzahlungen (ursprünglich Naturalpacht, später auch in Geld) eine mehr oder minder große Anzahl von "Diensten" als sogenannte "Vasallen" zu leisten hatten. 

Über das Rechtsstatut der Abtei zu Bleidenstadt sowie über die Hauspolitik der Grafen von Nassau etwas auszusagen, geht über den Rahmen dieser Chronik hinaus. Es muss aber daraufhin gewiesen werden, dass es ein Jahrhunderte langes Ringen bedeutete, bis die nassauischen Grafen, die ursprünglich nur "Schirm-Vögte" der Abtei waren, die wirklichen "Landesherren" im Wehener Grund wurden. Es handelt sich deshalb bei den erwähnten Lasten, Abgaben und Diensten der Einwohner von Hahn um vielerlei Arten, die sowohl vom Kloster wie von den nassauischen Grafen gefordert wurden. Gerade im Jahre 1293 war eine neue Vereinbarung zwischen König Adolf (damals nassauischen Familienoberhaupt) und der Abtei zustande gekommen, welche die Leistungen der "Leute und Dörfer des Klosters" regelt und demzufolge nur das Kloster selbst (in eigener Regie) bewirtschaftetes Land abgabenfrei ist. Dagegen mussten die Lehnsleute des Klosters zu Bleidenstadt Hafer, Hühner und Geld den Nassauischen Grafen entrichten. Auch von den Gefällen des Gerichts standen 1/3 den Grafen von Nassau und 2/3 den Äbten zu. Aus der gleichen Zeitperiode (13. Jahrhundert) ist ein Streit der inzwischen größer gewordenen Dörfer (urkundlich heißt es: "Einwohner von Bleidenstadt und anderen Dörfer") mit den Äbten von Bleidenstadt wegen der "Weid-Gerechtigkeit" (das Recht zur Nutzung der Gemeindeweiden) zu erwähnen. Die Dörfer vertraten den Standpunkt, dass die Abtei lediglich "Mark-Genosse" sei. Als Folge wurde dann vom Kloster der sogenannte "Schafhof" in Bleidenstadt errichtet.